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AUSSTELLUNG GEORG ETTL & ATELIER ETTL “GEWEBT, GEGOSSEN, GESTANZT”
01.09.2023 / 12:00-31.10.2023 / 17:00
Mo-So von 12:00 – 17:00 Uhr
AUSSTELLUNG GEORG ETTL & ATELIER ETTL
KUNST GEWEBT, GEGOSSEN & GESTANZT
Die Ausstellung im historischen Klärwerk in Krefeld zeigt industriell gefertigte Kunsteditionen aus Textil und Metall des Künstlers Georg Ettl, der 2014 nach langer Krankheit in Viersen starb. Im Mittelpunkt stehen zwei großformatige, maschinell gewebte Arbeiten: der Wandteppich „Die Untugenden des Menschen“, der im Jahr 2002 noch zu Lebzeiten Ettls entstand, und der Wandbehang „Krähen und Menschen“ nach einem Entwurf Georg Ettls. Dieser konnte anlässlich des Krefelder Stadtjubiläums in Zusammenarbeit mit dem Museum „Haus der Seidenkultur“ posthum realisiert werden.
GEORG ETTL
« In eine industrialisierte Welt gehört eine ebenso industrialisierte Handschrift“. Diese Überzeugung prägte Georg Ettls künstlerische Sprache. In seiner Arbeitsweise, der Wahl seiner Materialien und seinen Ausdrucksformen war er ganz ein Mensch der Gegenwart. Inhaltlich dagegen fasste der Künstler seine Kunst wesentlich weiter. Literarisch, philosophisch und theologisch hochgebildet, sah er sich in der Tradition einer europäischen Geistes- und Kulturgeschichte, die er immer wieder nach Brüchen und Konstanten befragte, wenn er über grundsätzliche Aspekte des menschlichen Zusammenlebens nachdachte. Sein Werk spiegelt eine Welt, in welcher der größte Feind des Menschen der Mensch selber ist. Dabei ist eine neutrale Beobachtung ohne moralisierenden Zeigefinger und ohne Anklage für Ettl wesentlich, ohne jedoch den einzelnen Menschen aus der Verantwortung für sein eigenes Leben und für seine Umwelt zu lassen. Dieses Spannungsfeld macht das künstlerische Schaffen Georg Ettls, das malerische und skulpturale Arbeiten, die Gestaltung von Kirchen, öffentlichen und privaten Räumen umfasst, vielsichtig und spannend.
Georg Ettl (1940-2014) kam aus der minimalistischen Bewegung in Detroit, USA. Nach Kindheit und Jugend in der bayrischen Oberpfalz hatte er in der amerikanischen Automobilmetropole erst eine Ausbildung zum technischen Zeichner und anschließend ein Kunststudium absolviert. Danach hatte er in Paris Literatur und Philosophie studiert und Ende der 60er Jahre in den Vereinigten Staaten als junger Bildhauer auf sich aufmerksam gemacht. Anfang der 70er Jahre lockte ihn die sehr lebendige Kunstszene im Rheinland zurück nach Deutschland. Georg Ettl ließ sich im Umfeld von Düsseldorf, in Viersen nieder.
Am Anfang seiner Schaffensphase entstanden Kunstunikate: Skulpturen, Bilder und textile Objekte, die Georg Ettl mit einer Vielfalt an Materialien und unterschiedlichen Techniken herstellte. Erst ab Mitte der 80er Jahre beschäftigte sich der Künstler mit Möglichkeiten, seine Entwürfe auch mittels industrieller Fertigung umzusetzen. Er entwickelte dazu eine zeitgenössische Bildsprache, die mit wiederkehrenden Formen und Symbolen an Piktogramme und Comics erinnert.
Am Anfang stand die Umrisszeichnung des menschlichen Kopfes im Profil, die Ettl so weit perfektionierte, bis das Ergebnis ihn als typischer Kopf schlechthin überzeugte. Sein Bild des Kopfes wurde fortan zum Markenzeichen. Schon bald danach folgten Ganzkörper-Silhouetten von Mann und Frau. Fortan kreierte Georg Ettl in unverwechselbarer künstlerischer Handschrift eine reichhaltige Bilderwelt minimalistischer Formen zur Darstellung von Mensch, Tier, Natur und Industrie, um unterschiedliche Themenbereiche aus Religion, Geschichte und aktuellem Zeitgeschehen zu bearbeiten. Dazu ließ er Figuren mit Lasertechnik ausschneiden und Abbildungen im Siebdruckverfahren farbig drucken. Der Wandteppich „Die Untugenden des Menschen“ war Ettls erste maschinell gewebte Arbeit. Der Wandteppich wurde als Edition erstellt, indem er auf einem Jacquard-Webstuhl im 15-Meter-Rapport gewebt wurde. Die ungewöhnliche Länge des Rapports war eine große technische Herausforderung bei der Umsetzung von Ettls Entwurf.
„DIE UNTUGENDEN DES MENSCHEN“
Aktuelle Grausamkeiten aus der Geschichte der Menschheit
Wandgeschichten
„Wände sind eine dritte Haut, sie schützen uns Menschen vor Kälte und Hitze, sie schaffen Private Räume, trennen die Innen- von der Aussenwelt. Während es heute moderne Materialien wie Glas, Stahl und Beton sind, waren es davor Stein und Holz, und noch weiter zurück, einfache Häute. Und immer wurde die Wand geschmückt: die Häute bemalt, der Stein geritzt und in das Holz Reliefs geschnitten. Daneben gab es aber auch eine Vielzahl an Textilien, die als Wandschmuck dienten: gewebte, gewirkte und bestickte Stoffe. Es waren zum Teil einfache Gewebe mit sich wiederholenden Mustern, aber auch komplizierte mit Darstellungen von Geschichten aus Religion und Mythologie, mit Erzählungen aus Vergangenheit und Gegenwart. Textile Fragmente aus vorchristlicher Zeit belegen den Jahrtausende alten Brauch der textilen Wanddekoration in weltlichen und religiösen Gebäuden.
Das älteste und berühmteste Beispiel ist der „Teppich von Bayeux“. Zwischen 1066 und 1075, vermutlich in England gefertigt, entrollt sich hier auf über 70m Länge die Vorgeschichte und Geschichte eines entscheidenden Krieges zwischen England und der Normandie, die Schlacht bei Hastings im Jahre 1066. Sehr ausführlich und detailreich werden etliche Schlachtszenen gezeigt, der einzelne Kampf von Mann gegen Mann ebenso wie der Kampf von Fußtruppen gegen Reiterverbände. Fast tausend Jahre trennen den Teppich von Bayeux von dem Wandteppich von Georg Ettl, dennoch ist die Aussage gleich: Mensch gegen Mensch. Dabei ist sekundär, ob der Grund, wie bei der Schlacht von Hastings, die Eroberung eines Königreichs war, und bei der Arbeit von Ettl die Gründe der einzelnen Tode nicht ersichtlich sind…“ (1)
In den 80er und 90er Jahren arbeitete Georg Ettl an zahlreichen Großprojekten in Verbindung mit Architektur. Die Herausforderung war stets dieselbe: Bilder zu schaffen, die in einer zeitgemäßen Formensprache erzählerisch wirken. Dafür entwickelte Ettl im Laufe mehrerer Jahre ein ganzes Programm von Bildelementen, die er in unterschiedlicher Kombination immer wieder einsetzte, um biblische Szenen, antike Mythen, historische Themen und aktuelle Fragestellungen miteinander zu verknüpfen und grundsätzliche Aussagen über das Wesen des Menschen zu ermöglichen. Die Szenen und Geschichten, die sich auf dem Wandteppich „Die Untugenden des Menschen“ von Georg Ettl entdecken lassen, sind ein eindrückliches Beispiel für diese Arbeitsweise.
Der Autor und Journalist Helge Drafz, tätig vor allem für das WDR Fernsehen, wird zur Eröffnung der Ausstellung über Georg Ettl und „Die Untugenden des Menschen“ sprechen.
(1) Karin Thönnessen, Die Untugenden des Menschen oder Aug um Aug, Zahn um Zahn. Katalog „Georg Ettl“, Städtische Galerie im Park Viersen, 2003
– „KRÄHEN & MENSCHEN“
Die „Krefelder Ettl-Krähe“ als Wandbehang
Neben seinen malerischen und skulpturalen Arbeiten und seinen öffentlichen Projekten begann Georg Ettl 1996 Kunsteditionen in Form von Wandschmuck, Skulpturen, Möbeln, Haushaltsgegenständen und Modeaccessoires wie Krawatten und Halstüchern zu entwickeln. Diese Editionen wurden nach seinem Entwurf industriell gefertigt, wobei Georg Ettl diese Art von Massenproduktion als künstlerisches Mittel des industriellen Zeitalters verteidigte. Sein Ziel war es – ähnlich wie es seit den 60er Jahren eine ganze Reihe von Künstlern, etwa Joseph Beuys, praktizierten – seine Kunst auf diese Weise demokratisch zu verbreiten, indem er erschwingliche Arbeiten für jedermann schuf und gleichzeitig Kunst in den Alltag der Menschen trug.
Renatae Ettl führt seit 2014 das Label ihres Vaters – „Atelier Ettl“ – weiter. Sie hält so nicht nur sein Werk lebendig, sondern auch die Philosophie, die ihr Vater mit diesem Projekt verfolgte. Außerdem verwaltet sie im Rahmen von „Atelier Ettl“ auch den Nachlass Ihres Vaters
Die abstrahierte Silhouette einer Krähe tauchte 1997 in dem minimalistischen Formenreservoir Georg Ettls auf. Er war beauftragt worden, den rückseitigen Hof des Kaiser-Wilhelm-Museums in Krefeld neu zu gestalten und von der Straße aus einsehbar zu machen. Um den Hofraum visuell zu öffnen, ersetzte Ettl die hohe steinerne Mauer, die den Hof von der Straße getrennt hatte, durch ein eisernes Zaungitter. Auf den Zaunpfählen platzierte er nicht, wie bei Schlosshöfen oft zu sehen, vergoldete Spitzen, sondern – als Anspielung an die Ursprünge des Namens der Stadt Krefeld – schwarze Krähen. Zur Arbeitsweise Georg Ettls gehörte es, die im Laufe von über 20 Jahren entwickelten Formen immer wieder in neuen, anderen Zusammenhängen zu verwenden. So taucht die Krähe auch in dem Entwurf zu dem Wandteppich „Krähen und Menschen“ auf, der sich in Ettls künstlerischem Nachlass befindet. Er wurde aber vor dem Tod des Künstlers nicht mehr als textile Arbeit ausgeführt. Um dieses Werk von Georg Ettl zu vollenden, wurde Cornelia Gathmann, die Leiterin der Seidenweberei F.X. Dutzenberg in Krefeld, beauftragt, den Wandbehang als Seidenjacquard zu weben.
Renatae Ettl und Hans Georg Hauser werden zur Eröffnung der Ausstellung am 1. September 2023 über die Entstehung der Wandarbeit „Krähen und Menschen“ sprechen.
Abbildung 1: Ausschnitt Wandteppich: Landminen – Vergasen
Abbildung 2: Ausschnitt Wandteppich: Elektrischer Stuhl – Bombardieren
Anlässlich des Krefelder Stadtjubiläums, und der Eröffnung des Klärwerks Uerdingen legt das Atelier Ettl 2 exclusive & limitierte Editionen auf.
Das Hängeobjekt aus Stahl « Krähe im Ring » und das gewebte Halstuch aus Seidenjacquard « Krähen & Menschen ».
Beide Editionen werden im Rahmen der Georg Ettl/Atelier Ettl Ausstellung erhältlich sein. Der Reinerlös dieser Editionen werden dem Haus der Seidenkultur, Krefeld & dem Klärwerk, Uerdingen zugetragen.